Ein Jahr im Kinderdorf mit Irène
Nach dem Abschluss meines Physikstudiums, entschloss ich mich an einem freiwilligen Projekt des Europäischen Solidaritätskorps teilzunehmen. Mit einem Fokus auf Projekten mit Kindern, stoß ich auf das Projekt am Kinderdorf bei Graz, Österreich. Und so ging es weniger als ein Monat nach einen einfachen Online-Interview Richtung Graz. Die Hinfahrt mit dem Zug war bei sonnigem Wetter und viel Schnee besonders schön. Bei meiner Ankunft am Hauptbahnhof Graz wurde ich herzlich empfangen und wir fuhren zur Studenten-WG, die für die nächsten Monate mein zu Hause sein würde.
Das Projekt war für drei Freiwillige geplant und für uns wurde eine 3er-WG in einem Studentenwohnheim gemietet. Aufgrund meiner kürzeren Anreise kam ich als erste in Graz an und konnte ein paar Tage zum Ankommen genießen bevor ich am 2. Februar 2023 meinen ersten Tag am Kinderdorf hatte. An diesem Tag holte mich eine Kollegin vom Studentenwohnheim ab und wir fuhren knappe 20 Minuten Richtung Norden zum kleinen Dorf Steinberg bei Graz. Die schöne hügelige Landschaft und verschneiten Berge umher bewunderte ich bereits an diesem ersten Tag und tat dies weiterhin an jedem Tag an dem ich ins Kiderdorf ging! Der erste Tag war voller neuer Eindrücke mit vielen neuen Namen und neuen Gesichter. Ich wurde in zwei der vier Häuser des Kinderdorfs eingeteilt, sodass ich Anfang jeder Woche im „Bauernhaus“ und Ende der Woche in „Schlumpfhausen“ tätig war. In jedes Haus des Kinderdorfs lebten zwischen 7 und 10 Kinder im Alter von 5 und 18 Jahre und jedes Haus hatte ein etwa zehn-köpfiges Betreuerteam. Mein Tag am Kinderdorf fing üblicherweise um 13Uhr an, sodass ich etwa zur gleichen Zeit ankam wie die jüngsten Kinder von der Schule oder vom Kindergarten zurückkehrten. Üblicherweise wurde mir als erstes gesagt, welche To Dos der Tag hatte und welche Fahrten/Termine ich übernehmen sollte. Eventuell musste ich die Volkschulkids (Grundschulkinder auf Österreichisch;) von der Bushaltestelle abholen oder das Essen von der Küche holen. Dann wurde mit den Kindern zusammen zu Mittag gegessen und über ihr bisheriger Tag gesprochen. Das Kinderdorf hat ein Putzteam, das die Häuser regelmäßig sauber macht und ein Koch, der unter der Woche jeden Tag das Mittagessen vorbereitet. Zwei Mal in der Woche kommt auch eine Bestellung für jedes Haus. Eine meiner Tätigkeiten war auch diese Bestellung, üblicherweise bestehend aus Frühstückssachen, Brot, Obst, Gemüse, Eier, Zutaten fürs Kochen am Wochenende und Hygieneartikel, von der Küche zum Haus zu tragen oder fahren und die Sachen einzuräumen. Nach dem Mittagessen haben die Kinder an dden meisten Tagen eine Zimmerpause gemacht, während der sie selbstständig in ihrem Zimmer gespielt haben oder angefangen haben ihre Hausübungen zu machen. Anschließend sollte das Zimmer aufgeräumt werden bevor die Kinder draußen oder im Turnsall spielen konnten oder ihre Medienzeit benutzen durften. Bei Bedarf war meine Aufgabe die Kinder bei der Erledigung ihrer Hausaufgaben zu unterstützen sowie beim aufräumen. Die Kinder hatten auch „Hausdienste“ zum erledigen (z.B. Abendessen vorbereiten und Tisch decken, Garderobe aufräumen, Müll wegbringen). Diese wurden üblicherweise am Abend angegangen und je nach Alter des Kindes und Art des Dienstes auch mit Anweisungen und Hilfe eines Erwachsenes erledigt. Während der Schulferien war der Tagesablauf etwas anders da keine Hausübungen zu erledigen waren und die Kinder mehr Zeit zum austoben und entspannen hatten. Besonders während der Sommerferien unternahmen wir viele Tagesausflüge mit den Kinder. So fuhren wir an unterschiedlichen Seen in der Nähe von Graz und verbrachten Nachmittage am und im Wasser, spielten Uno oder sonstige Kartenspiele und machten kleine Picknicks. Zusätzlich gingen wir in der Kinderdorfumgebung oder in der Stadt spazieren.
Im Sommer, haben wir alle (Kinder, BetreuerInnen, Freiwillige, Zivildiener, PraktikantInnen) auch sehr viel Zeit am Pool des Kinderdorfes verbracht. Der Schulanfang im September kam mit gemischten Gefühle: Freude die Schulkamaraden wieder zu sehen aber auch keine Lust auf Hausübungen und Schularbeiten. Von der Erwachsenen-Seite war vieles zu Organisieren: Schulmaterial musste besorgt werden, „Eltern“-Abende mussten besucht werden, Freizeitaktivitäten der Kinder mussten geplannt werden (Einschreibung in Vereine usw.). Die ersten Schulwochen brachten einiges an Unruhe mit sich bis jede und jeder sich wieder am Schulrythmus angepasst hatte. Die Winterzeit verging schnell und die Kinder freuten sich besonders beim Schneefall Anfnag Dezember und auf die vielen Weihnachtsgeschencke. Zu meinem Abschiedsessen hatten ein Teil der Kinder einen kleinen musikalischen Auftritt vorbereitet und brachten mir Geschencke, die ich mit meinem vielen Errinerungen ganz liebevoll aufbewahre.
Meine erste Mitbewohnerin Tamta aus Georgien kam ein paar Tage nach mir in Graz an. Vor unserer Anreise hatten wir uns bereits in einem Online Treffen mit der Projektkoordinatorin kurz kennen gelernt und sind im Laufe dieses Jahres gute Freundinen geworden. Im März kam dann unser türkischer Mitbewohner dazu, allerdings verließ er das Projekt nach kurzer Zeit da sich bei ihm eine neue lebensverändernde Chance ergeben hat. Da das Projekt für drei Freiwillige gedacht war suchten die Projektkoordinatorinnen nach einer weiteren Person und so kam Yuliia aus der Ukraine im Sommer dazu. In unserer gemeinsamen Zeit in Österreich haben wir die gemeinsamen Busfahrten ins Kinderdorf und zurück sowie viele entspannte Abende in der WG geteilt. Zusammen haben Tamta und ich auch etliche kurze Reisen unternommen, nicht nur für das On-Arrival-Training in Wien und das Mid-Term-Meeting in Salzburg, sondern auch zum grünen Drachen nach Ljubljana, für lange Spaziergänge entlang der Donau in Wien und in Bratislava, zum Wandern nach Innsbruck und zum Lindwurm in Klagenfurt. Auf all unsere Reisen haben wir uns bemüht lokale Spezialitäten zu kosten und konnten unter anderem die Sachertorte beim Demel (einer der zwei berühmtesten Wiener Kaffeehäuser), die prekmurska gibanica (slownischer Schichtkuchen) und auch die typischen Kärntner Nudeln genießen. Auch innerhalb von Graz waren wir öfters zusammen unterwegs, sei es am Schlossberg mit dem gut erkennbaren Uhrturm oder bei den vielen Weihnachtsmärkten, die bereits im November offen haben... Und dank des Kulturpasses, welches wir zum Anfang unserer freiwilligen Tätigkeit bekommen haben, konnten wir auch um sonst ins Opernhaus Graz und in vielen Museen in ganz Österreich gehen, was wir uns nicht entgehen lassen haben!
Im Ganzen bin ich sehr zufrieden, dass ich im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps an diesem Projekt im Kinderdorf teilgenommen habe und würde eine solche Erfahrung allen ganz besonders empfehlen! Ich habe vieles zusätzliches gelernt und auch eniges an Verantwortung übernommen. Es war wunderschön zu sehen wie sich die Kinder in dieser Zeit entwickelt haben und ich hoffe, dass ich in nächster Zeit mal wieder im Kinderdorf zu Besuch sein kann und Kinder und Betreuer wieder zu sehen :) Die schönen Erinnerungen, die ich während dieses Freiwilligendienstes gesammelt habe, haben mich auch davon überzeugt, ein Studium der Sozialarbeit zu beginnen. Dies wird mir hoffentlich ermöglichen, in naher Zukunft als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin in ähnlichen Einrichtungen zu arbeiten.
In unserer WG hatten wir eine Kreidetafel wo meine Mitbewohnerinnen und ich unsere Kreativität im Laufe des Jahres frei laufen lassen haben. Passend zum Abschluss dieses Blog-Eintrags und eine gute Wiederspiegelung unserer herangehensweise bei unserer gemeinsamen ESK-Tätigkeit in Österreich: „Es wird alles gut gehen“!